12. November 2015 | 20:00 Uhr | Nordpol
Die Wiedervereinigung beider deutschen Staaten 1989 wird in den geglätteten offiziellen Erzählungen mithilfe von infolgedessen eingeführten vielfältigen kulturellen Ritualen und politischen Performanzen immer mehr zur einer Vervollkommnung homogener Einheit deutscher Nation (v)erklärt. Flankiert und institutionalisiert ist diese politische Repräsentation durch die Versuche einer imaginierten (aber auch tatsächlich praktizierten) Purifizierung deutscher Einheit von ethnisch/kulturellen/religiösen Differenzen. Jedoch widerlegen die sozialen Fakten dieser Narration (Narrative + Nation), woraus ein grundsätzliches epistemisches und politisches Unbehagen entsteht. Dieses Unbehagen unterfüttert nun bei antirassistischen/antifaschistischen/ linken Kreisen das zunehmende Interesse an der kritischen Auseinandersetzung mit politischen Verhältnissen in der Wende- bzw. Postwendezeit.
In dem Vortrag wird die konflikthafte Hervorbringung und Reproduktion der Vergesellschaftung in der BRD in diesen turbulenten Jahren (Ende 1980er-Anfang 1990er Jahre) anhand der Rekonstruktion der Geschichte der Antifa-Genclik genährt. Was ist denn Antifa-Genclik: Antifa Genclik ist mehr als ein zwangsläufiges Resultat der deutschen Migrationspolitik Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre, obwohl sie doch unter derzeitigen historischen und politischen Entwicklungen entstanden ist und ihre Existenz dieser zu verdanken hat. Sie ist auch mehr als eine temporäre Erscheinung einer von zahlreichen Jugendbanden, die einer klaren subkulturellen Epoche zuzurechnen ist. Sie war auch kein Vorposten einer migrantischen Avantgarde, denen irrigerweise in den 1990er Jahren oft die Rolle des revolutionären Subjektes zugeschrieben wurde. Schließlich war sie auch keine unproblematische Vereinnahmung oder Verdinglichung und einer – zugeschriebenen – Identität/Identifikation. Sie war eher ein Ereignis, im Sinne eines unerwarteten Zusammenkommens unterschiedlicher Körper, Energien, Intensitäten, ein Ineinanderfalten unterschiedlicher Zeiten, Räumen, Erfahrungen, Signifikanten. Sie war mehr als eine Reihe möglicher Handlungen, abgeschlossener Aktivitäten ebenso mehr als eine Verkörperung der Machteffekte, sei es disziplinär oder biopolitisch. Eher als Unfall, als ein Riss bei der politischen Ordnung der Dinge der Welt.
In dem Vortrag möchte ich die Genealogie der Antifa-Genclik anhand der materialistischen Vorgehensweise erläutern. Dabei wird die politische Rationalität und Technologien der Macht der Migrationspolitik in Deutschland in ihrer historischen Kontinuität kritisch hinterfragt. Politische Institutionen und deren Formen sozialer Normativität und disziplinären Administration werden in ihrer Wechselwirkungen mit den subversiven Handlungen der Migration/Mobilität zusammen-gedacht. Am Ende wird ein Bogen von der Politik des Todes in den 90er Jahren bis zum heutigen NSU-Komplex geschlagen.